An die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen und an den Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidenten der Europäischen Kommission Josep Borrel
Diese Kampagne wird von Organisatoren und Teilnehmern der europäischen Solidaritätsaktionen verfasst organisiert.
Appell
Jüngste Ereignisse in Russland, die mit dem Mordversuch und der nachfolgenden Verhaftung von Alexey Nawalny verbunden waren, sorgten für eine Welle von Protesten nicht nur innerhalb Russlands, sondern in allen von Russen beheimatenden Ländern der Welt. Am Samstag den 23. Januar fanden Solidaritätsaktionen in dutzenden Ländern und hunderten Städten der Welt statt, von Tokio bis San Francisco. In Europa schlossen sich diesen Aktionen tausende Russen und europäische Bürger an, mit dem Ziel Alexey Nawalny in seinem Kampf zu unterstützen, seine Freilassung, sowie die Freiheit aller russischen politischen Häftlingen und ukrainischen Gefangenen des Kremls anzufordern, und sich mit den Russen zu solidarisieren, die unser Land demokratisch, modern und frei von Putins personalistischem Regime sehen wollen. Den in vielen europäischen Ländern geäußerten Aufruf an Sie schicken wir Ihnen jetzt als eine gemeinsame Petition zu.
Wir finden der Punkt ist erreicht an dem es zu sagen gilt: «Schluss damit!»:
- Schluss damit, so zu tun, als würde Wladimir Putin die Interessen von Russland und Russen vertreten!
- Schluss damit, ein Auge zuzudrücken, wenn Putin und sein Gefolge aus Amtsträgern und Oligarchen die Macht in Russland usurpieren und sie mit Gewalt festhalten, wobei sie Recht, Gesetze und internationale Verpflichtungen Russlands komplett vernachlässigen!
- Schluss damit, Zusammenarbeit mit Putin und seinen vertrauten Amtsträgern und Oligarchen zu unterstützen und sie «Partnerschaft mit Russland» zu nennen!
- Schluss damit, Repressionen, Gesetzwidrigkeit, verfassungswidrige Gesetze, gesetzwidrige Verfassungsänderungen und die Konsequenzen, die Putins Regime für die russische Bevölkerung hat, zu verharmlosen!
Wir ersuchen Sie, die Strategie der Verhältnisse mit Russland zu überarbeiten. Wir bitten Sie, alle Verhandlungen und Zusammenarbeit mit Russland auszusetzen, bis in Russland die folgenden akuten Fragen gelöst werden:
- Freilassung der politischen Häftlinge (Bürger Russlands, der Ukraine und anderer Länder): laut den Verzeichnissen der Menschenrechtorganisation «Memorial» (https://memohrc.org/ru/content/spiski-presleduemyh), werden in Russland mehr als 400 Menschen aus politischen Gründen verfolgt, und die Mehrheit von ihnen befindet sich in Haftanstalten, darunter Alexey Nawalny. Bewertungskriterien des Memorial basieren auf der Resolution PACE №1900 (2012).
- Abschaffung unterdrückender Gesetze. Darunter die Abschaffung des Status eines «ausländischen Agenten» für Individuen, sowie die Abschaffung des Status «unerwünschter Organisationen» für Organisationen. Diese Gesetze stehen zu den internationalen Verantwortungen Russlands, unter anderem im Rahmen des Europarats, im Widerspruch. Die Empfehlung zur Abschaffung und Änderung der auf den Status «ausländischer Agent» und «unerwünschte Organisation» bezogenen Gesetze wurde von der Venedig-Kommission des Europarats herausgegeben.
- Aussetzung der Annahme des Gesetzentwurfs über «staatsbürgerliche Bildung», der eine staatliche Regulierung aller Bildungsveranstaltungen ermöglichen würde. Darunter sind Veranstaltungen, die eigentlich die freie persönliche Entwicklung, berufliche Fortbildung und Förderung kritischen Denkens garantieren sollen. Dieser Gesetzentwurf steht zu den internationalen Verpflichtungen Russlands im Widerspruch und sorgt für die Erschaffung eines neuen Eisernen Vorhangs, durch die Untersagung aller zwischenmenschlichen Kontakte (people-to-people) die ohne staatlich Genehmigung stattfinden.
- Gewährleistung eines freien und fairen Wahlkampfs zur Staatsduma in 2021, sowie Kampagnen für regionale und lokale Behörden und Ämter mit Zulassung eines breiten Kreises ausländischer Beobachter und Journalisten. Akkreditierung unabhängiger Beobachter aus Russland (darunter Beobachter-Korrespondenten der Bewegung «Golos») und unbehinderte Teilnahme unabhängiger Kandidaten (inklusive jener, gegen die Strafverfahren aus politischen Gründen eingeleitet wurden). Erst nachdem die russische Regierung ernsthafte Bereitschaft bewiesen hat freie und demokratische Wahlen zu führen, sollte jegliche Art der Zusammenarbeit, inklusive wirtschaftlicher, fortgesetzt werden.
- Abschaffung der in 2020 gesetzwidrig angenommenen Änderung der Verfassung der Russischen Föderation. Im Jahr 2020 untersuchte die Venedig-Kommission des Europarats die Verfassungen und gab Empfehlungen heraus, die von der russischen Regierung im weiteren Entscheidungsprozess nicht berücksichtigt wurden.
- Zurückgabe der annektierten Gebieten der Ukraine, Beendigung der Militärinterventionen und Unterstützung illegaler bewaffneter Gruppen im Osten der Ukraine, gemäß der Anforderung der Resolution PАСЕ №2325 (2020).
Wir ersuchen Sie außerdem der persönlichen Sanktionen, die gegen eine Reihe von Vertretern der russischen Regierung und Geschäftsbereiches verhangen worden sind, umzusetzen, sowie die Liste der den Sanktionen unterworfenen Personen durch diejenigen zu erweitern, die Russlands Verstöße gegen seine internationalen Verpflichtungen, darunter die im Rahmen der OSCE und des Europarats, direkt oder indirekt begünstigen.
Warum ist das wichtig?
Die Situation in Russland und die Auswirkung von Putins Regime auf die Situation in der EU zeigt uns ganz deutlich, wie fehlerhaft die Einstellung ist, dass das Geschehen in Russland Europa kaum betrifft. Das ist ein Regime, das Lügen verbreitet und Menschenrechte aktiv verletzt, Territorien der Nachbarländer rechtswidrig annektiert und sich aggressiv bemüht, den eigenen Machteinfluss weltweit auszubauen. Ein Regime, das die Opposition und die Minderheiten unterdrückt, Ungleichheit und Diskriminierung als seine Werte voranbringt, das Partnerschaften mit anderen Diktatoren in Ländern wie Iran, Usbekistan und Venezuela pflegt und Demokratie missachtet. Ein solches Regime ist gefährlich, und es gefährdet jedes Land, das sich für demokratische Werte und Menschenrechte einsetzt. Es ist eine Gefahr für alle europäischen Werte, die wir beschützen wollen.
Wir sind uns sicher, dass Sie die richtige Wahl treffen werden, eine Wahl im Interesse Europas und seiner Bürger, und für eine bessere Zukunft für uns alle.
Organisatoren und Teilnehmer der europäischen Solidaritätsaktionen:
Verband “Für ein freies Russland” (Za Wolną Rosję), Polen
Forum russischsprachiger Europäer, Deutschland
Ewgeniya Chirikowa, soziale Aktivistin, Koordinatorin des Projektes activatica.org, Estland
Verband «Russland ohne Putin» (Asociación Rusia sin Putin), Spanien
Anton Litwin, Direktor des Festivals für Kultur und Menschenrechte Kulturus, Tschechien
Elena Lukyanowa, Juraprofessorin an der Freien Unversität, Lettland
Alexander Morozow, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Boris Nemtsow Academic Center, Tschechien
Kseniya Aschrafullina und Pawel Elizarow, soziale Aktivisten, Portugal
Verband Russie-Libertés, Frankreich